Die Bucklige Welt hat vieles aus vergangenen Tagen zu erzählen – etwa in Form von alten Sagen und Überlieferungen.
Die Leidenschaft dafür teilen sich der phantastische Künstler Micheal Trimmel und Markus Steinbichler, Buchautor und Betreiber von Bucklige Weltreisen. Gemeinsam interpretieren die beiden Sagen aus der Region neu und stellen sie zeitgemäß in Wort und Bild dar.
Aus dem gemeinsamen Interesse für alte, mystische Geschichten hat sich eine phantastische Zusammenarbeit der beiden Jugendfreunde ergeben: Alte Sagenbücher werden von Markus Steinbichler gesammelt, gemeinsam werden besonders schöne oder schaurige Geschichten ausgewählt und Ideen zur Umsetzung geschmiedet. Michael Trimmel macht sich dann an die künstlerische Ausgestaltung mit Stift und Tinte, Steinbichler versucht mit kurzweiligem Storytelling möglichst viel Begeisterung für die Geschichten zu verbreiten.
So werden die alten Sagen in einheitlicher und Instagram-tauglicher Länge nacherzählt, um sie auch der Generation Online schmackhaft zu machen. 13 auf diese Weise neu interpretierte Sagen wurden im vergangenen Jahr auf den Social-Media-Plattformen von „Bucklige Weltreisen“ präsentiert, ergänzt um ein paar Gedanken dazu, was uns Sagen heute noch zu sagen haben – und eine moderne Sage über die „Phantastischen zwei [(Sagen)Freunde]“.
Alle zusammen gibt es nun hier versammelt – wir wünschen sagenhafte Unterhaltung!
Michael Trimmel & Markus Steinbichler
Übersicht aller Sagen und Geschichten
- WAS UNS SAGEN ZU SAGEN HABEN …
- DIE PHANTASTISCHEN ZWEI [(SAGEN)FREUNDE]
- DIE WOLFGANGSKIRCHE ZU KIRCHBERG AM WECHSEL
- DAS HEXENBRÜNNL ZU BROMBERG
- DER TEUFELSSTEIN ZU WIESMATH
- DER GRAUSAME GRAF ZU STUBENBERG
- KÖNIG OTTER, TIEF IM BERG
- DAS TEUFELSBRÜNDL ZU HOCHNEUKIRCHEN
- DAS TEUFELSSCHLÖSSL ZU LANZENKIRCHEN
- DIE SAGE VOM ERSTEN WURMBRAND
- DIE EINGEMAUERTE NONNE ZU KIRCHBERG AM WECHSEL
- DIE LEITHAHEXEN ZU LANZENKIRCHEN
- DER GALGEN AM GERICHTSBERG ZU ASPANG
- DER HANSERLSTEIN ZU HOLLENTHON
- DIE GESTÖRTE TOTENRUHE ZU EDLITZ
Was uns Sagen zu sagen haben …
Sagen zählen zu den ältesten Geschichten und Überlieferungen einer Region, sind quasi seit hunderten, oft tausenden von Jahren in eine Landschaft eingeschrieben. Sie wurden über viele Generationen hinweg mündlich überliefert, von Mund zu Ohr, von Großeltern zu Enkeln. Später wurden sie in Wort und Bild festgehalten, heute sind wir inzwischen bei digitalem Weitererzählen angelangt.
In allen Sagen stecken meist drei Dinge:
1.) Ein historischer Kern (oder zumindest eine Spur davon). Etwa ein Ort, der als Kulisse der Geschichte dient, der seiner Umgebung Identität verleiht und der im Idealfall heute noch aufgesucht werden kann.
2.) Eine moralische Botschaft. Nämlich jene, sich in Not und Bedrängnis richtig zu verhalten. Sich voller Wagemut einem Drachen in seinem dunklen Loch zu stellen. Oder seinem Glauben treu zu bleiben – und den Verlockungen des Bösen in all seinen Gestalten zu widerstehen. Und schließlich
3.) Ein Held oder eine Heldin, die das Abenteuer für uns austrägt. Die unverhofft in unheimliche Begegnungen stolpert. Die sich dem Abenteuer stellen muss. Die mit einer gehörigen Portion Mut, Glück, Glaube oder Zufall diese Prüfung meistert. Oder aber auch dabei scheitert – und es dennoch immerhin versucht hat.
Heute können wir Sagen als Metaphern für unser Leben lesen: Es werden immer unvorhergesehene, auf den ersten Blick unbezwingbare Abgründe und Hindernisse auftauchen. Doch mit dem Glauben an uns selbst, mit den richtigen Unterstützern an unserer Seite und mit der Zuversicht, dass alles gut ausgehen wird, werden selbst sagenhaft groß erscheinende Hürden zu meistern sein!
Die phantastischen zwei [(Sagen)Freunde]
Wie es dazu kam, dass zwei Jugendfreunde gemeinsam alte Geschichten und Überlieferungen neu interpretieren, erzählt folgende „moderne Sage“ …

Um die letzte Jahrtausendwende, als die Telefone noch an Kabeln in den Häusern angebunden waren und die Jugend frisch, frech und frei ihre Kreise zog – liefen sich in einer legendären Spelunke im Schatten der Wolfgangskirche zwei junge Burschen über den Weg. Schon bald stellten sie fest, dass sie viel gemeinsam hatten: Ihren Schmäh, ihre Liebe zu gitarrenkrachender Musik und generell zu den dunklen, schrägen, abgründigen Seiten der Popkultur. Manch Nacht wurde viel gelacht und gezecht, bis ihre Wege im Sand der Zeit wieder auseinanderliefen.
Die zwei Burschen wurden (mehr oder weniger) erwachsen, jeder auf seine Art und Weise: Studium und Lehre wurden absolviert, Berufe ergriffen, ein Baum gebaut, ein Haus gezeugt und Kinder gepflanzt – oder war´s andersrum? Und eines Tages, wie aus heiterem Himmel, sorgte ausgerechnet digitales Teufelszeug (man nannte es neudeutsch „souschl midia“) dafür, dass sich die beiden als Männer wieder trafen. Wenn auch in einem weltweiten Netz verheddert, so doch hin und wieder die alten oder neu hinzugekommenen Leidenschaften (Malerei! Fotografie! Natur! Alte Geschichten! Magische Orte!) austauschend.
Nach vielen Likes, Kommentaren und gefühlten Kilometern an Chatverläufen stellten die beiden fest: „EINE Seele wohnt, ach! in unser BEIDER Brust, die eine will sich von der andern nimmer trennen!“ Vor allem die Liebe zu den mystischen Sagen und unheimlichen Überlieferungen ihrer Heimat sollte zur kongenialen, gemeinsamen Sache werden: Einer sammelt Geschichten und erzählt sie neu, einer gestaltet ein Bild in unnachahmlichem Stil dazu! Bei manch Kaffee im echten Leben schmieden die beiden ihre Ideen. Und stellen jeden „Phantastischen Sonntag“ fest: „Wie schön es doch ist, mit jemandem ähnlich denken, fühlen und kreativ sein zu können!“
Die Wolfgangskirche zu Kirchberg am Wechsel
Neben den zahlreichen Burgen und Ruinen prägen auch wunderschöne, alte (Wehr-)Kirchen unsere Region Bucklige Welt. Viele von ihnen sind an Plätzen entstanden, die bereits in vorchristlicher Zeit als Kultstätten genutzt wurden. Sie stehen dann meist an besonders auffälligen Orten, und oft ranken sich viele Sagen und Legenden um sie. Nicht selten kommen Heilige und der leibhaftige Teufel selbst darin vor. Besonders sagenumwoben ist die Wolfgangskirche zu Kirchberg am Wechsel.




Die gotische, steinerne Wolfgangskirche wurde um 1400 erreichtet – und bei ihrer Erbauung ging es mit dem Teufel zu: Um die schwierige Aufgabe des mächtigen Kirchenbaus bewerkstelligen zu können, ging der Baumeister einen Pakt mit dem Höllenfürsten ein: Dieser sollte mit seiner übermenschlichen Kraft Steine und Bauholz aus dem Molzbachgraben liefern. Als Entschädigung dafür dürfe er den ersten, der die fertige Kirche betritt, mit in die Hölle nehmen. Voll Vorfreude auf die Menschenseele schaffte er nächtens schubkarrenweise das Baumaterial herbei.
Um ein so prächtiges Bauwerk zu errichten, muss man schlau und gewieft sein, und bei Gott: Das war der Baumeister. Gerade als der Teufel die letzte Schubkarre über das Ebenfeld vor Kirchberg schob, steckte der Baumeister einen Ziegenbock in ein Festgewand – er sollte sein erster Kirchgänger werden! Luzifer bemerkte die List und stieß wütend die Schubkarre um – bis heute ist davon ein riesiger Hügel auf dem Feld zu sehen. Der Teufel stürmte zur Kirche, doch nur um zu sehen, wie der Ziegenbock über die Torschwelle geschoben wurde. Zornentbrannt riss er ein Loch ins neue Gewölbe und fuhr zurück in die Hölle.
Das Hexenbrünnl zu Bromberg
Vor rund 400 Jahren war den Menschen in unseren Breiten vieles noch unerklärlich und unverständlich. Wie Unwetter entstanden, warum Tiere im Stall plötzlich krank wurden, warum gesunde Menschen plötzlich krank wurden und starben. Vieles davon war „wie verhext“ oder es musste dabei mit dem Teufel zugehen – im schlimmsten Fall beides zugleich. Und dann galt es einen Schuldigen oder eine Schuldige zu finden, um das Unglück abzuwenden. Einfache Menschen, egal ob Einsiedler oder Nachbarn, wurde zu Hexern oder Hexen gebrandmarkt. Oft nur, weil sie anders waren als die anderen, weil sie besondere Fähigkeiten hatten oder jemandem im Weg waren.




So erging es auch einer Frau in Bromberg, Afra Schick mit Namen. Sie war Zeit ihres Lebens als Kräuerfrau und Naturheilerin bekannt, auch Wahrsagerei beherrschte sie. Oft sah man die Witwe an einer Quelle tief im Wald oberhalb der Bromberger Kirche, wo sie Kräuter sammelte. Doch auch unheimliche Riten und seltsame Handlungen soll sie dort abgehalten haben. Eines Tages stand der Gemeindehirte von Schwarzau im Gebirge vor Gericht, dem ebenfalls Unerklärliches vorgeworfen wurde. In seiner Not behauptete er, er habe von der „Schickin“ in der Kristallkugel zu lesen gelernt – und sie habe ihn gedrängt, sich dem Teufel zu verschreiben.
Wenig später stand Afra Schick selbst vor Gericht, schlimmer noch: Schon bald wurde sie „peinlich befragt“, also schwer gefoltert. So wurden auch von den Unschuldigsten die ungeheuerlichsten Teufelswerke eingestanden, für die sie zum Tod verurteilt wurden. Und so wurde sie schließlich am 11. Dezember 1671 vor den Toren Wiener Neustadts auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Der Teufelsstein zu Wiesmath
Der Teufel ist als Widersacher gläubiger Christen wohlbekannt und tritt auch in unzähligen Sagen aus der Buckligen Welt auf den Plan. Meist bemüht er sich dabei um die eine oder andere (mal mehr, mal weniger unschuldige) Seele, die er überlisten und für sich gewinnen möchte.




Oft sind des sagenhafte Felsformationen, die den Teufel im Namen tragen, und von ihnen gibt es einige zu entdecken: Die seltsame Anordnung der Steine, manchmal mit Schalen oder Spalten im Fels, vor allem aber die spätere „Verteufelung“ dieser Orte ist ein Indiz dafür. Schaurige Geschichten sollten die frisch bekehrten Schäfchen von den einst im alten Glauben verehrten Plätzen fernhalten.
Auch der Teufelsstein bei Wiesmath – ein riesiger Felsblock mitten im Wald – wirkt auf heutige Besucher wie solch ein rätselhafter und mysteriöser Kultplatz. Gleich mehrere Sagen ranken sich um diesen Ort: Ein Bauer, der mit dem Teufel im Bunde gewesen sei, soll seine Schätze beim großen Stein versteckt haben. Eine andere Geschichte erzählt, dass eine Mutter mit einem schlimmen Kind des Weges kam. Beim Stein und wohl auch nervlich am Ende angelangt rief sie: „Der Teufel soll Dich holen!“. Da tat sich die Erde auf, und tatsächlich zerrte der Herbeigeschworene das Kind ins dunkle Loch hinunter.
Außerdem erzählt man sich, dass der Antichrist persönlich an diesem Ort nach Mitternacht predigen soll. Wie es zu dieser Begegnung oder Erscheinung kam und wem sie widerfahren ist, ist nicht überliefert …
Der grausame Graf zu Stubenberg
Tief im Wald des Hassbachtales steht selbstvergessen die Ruine der Burg Stubenberg. Dort herrschte einst ein stolzer Graf, über den man nur wenig Ritterliches erzählt: Eines Tages soll der Herr von Seebenstein zu Gast gewesen sein, und nach dem Festmahl führte der Stubenberger jenen durch seinen Besitz. Beeindruckt stellte dieser er fest, dass der Graf ein reicher, mächtiger Mann sein musste! „Mag sein,“ erwiderte der, und fuhr fort: „aber es ist mir noch immer nicht…“ – als er jäh von einem grausigen Jammern und Wehklagen unterbrochen wurde.




Auf die Frage seines Gastes danach antwortete der Stubenberger streng: „Das sind nur die „Brotmäuse“ im Hungerturm!“ So nannte er die Bettler, die vor seinem Tor um ein Stück Brot flehten – und die er herzlos in den Kerker werfen ließ, wo sie fortan vor sich hin schmachteten. „Zu Essen bekommen sie dort keinen Bissen, und irgendwann stopft ihnen ohnehin der Tod die Mäuler!“ Der Seebensteiner verließ stumm den Ort, doch noch oft sollte sich dieses „Spielchen“ des Grafen vor Gästen wiederholen. Unzählige Bettler fanden in seinen Verliesen ein schreckliches Ende, ohne dass es den Burgherren weiter berührte.
Eines Tages lag er selbst im Sterben, all sein Ruhm und Besitz, all seine Grausamkeit konnten nichts daran ändern. Still war es in seinem Gemach, nur das Winseln der Brotmäuse war zu hören. Da fuhr der Graf aus seinem Bett hoch und rief zu seinem Diener: „Schau aus dem Fenster, ob nicht ein Wagen kommt!“. Der Diener tat wie befohlen und musste seinem Herrn sogleich bestätigen, dass sich tatsächlich eine pechschwarze Kutsche der Burg näherte, von feurigen Rossen gezogen! „Jetzt holt mich mein Freund, der Teufel!“ stieß der Graf hervor, verdrehte die Augen und starb dahin.
König Otter, tief im Berg
Einst herrschte der mächtige König Otter in seinem Reich rund um den Berg, der auch seinen Namen erhielt. Auf dem Gipfel thronte sein prächtiges Schloss, aus den Bergwerken in den Schluchten und Tiefen des Berges förderten Zwerge und Bergleute Gold und Edelsteine zu Tage. Als der König jedoch müde und alt und seines Ruhmes überdrüssig geworden war, begab er sich mit seinem Gefolge hinab in die Tiefen des Großen Otters. In einer der vielen Höhlen schuf er sich einen Thron aus Gold und nahm – sein Haupt müde von der edelsteinbesetzten Krone – darauf Platz.




Nachdem die Wachen ihren Platz eingenommen hatten, versetzte der König alle und alles in einen tiefen Schlaf … wer weiß, vielleicht sollte eines Tages seine große Zeit wieder kommen und sein Reich, sein Schloss, sein Glanz wieder auferstehen? Bis dahin begnügen der König und seine Männer sich damit, in manchen Nächten ein Poltern und Brausen im Berg zu veranstalten. Man munkelt, es wird gefeiert, getanzt und gekegelt, tief unten im felsigen Festsaal. Und manchmal sollen sie gar aus dem Berg fahren und eine irrlichternde, „wilde Jagd“ über das untergegangene Königreich abhalten!
An solchen Tagen sollte man sich lieber fern halten vom Großen Otter, um König Otter bloß nicht leibhaftig zu begegnen! Denn einmal wurde ein ahnungsloser Knecht auf dem nächtlichen Heimweg von Otters wilder Jagdgesellschaft überrascht. Zu Tode erschrocken harrte er vor Furcht erstarrt und zu Boden geworfen aus, bis alles vorüber war. Zuhause glaubte er sich – gerade noch mit dem Schrecken und Leben davongekommen – in Sicherheit. Doch in der ersten Rauhnacht im selben Jahr war der Knecht verschwunden – und nie mehr gesehen. Man sagt, dass er für immer in König Otters Gefolge tief unten im Berg aufgenommen wurde …
Das Teufelsschlössl zu Lanzenkirchen
Gleich hinter der St. Veits-Kirche in Ofenbach beginnen die weiten, tiefen und buckligen Wälder der Rosalia. Vor langer Zeit gingen hier Holzknechte ihrer schweren, einsamen Arbeit nach. Zwei von ihnen waren trotz aller Mühsal recht lustige Gesellen, neigten gern zu Zecherei und Kartenspiel nach getaner Arbeit. Wieder einmal vergnügten sie sich bei Spiel und Trank im Wirtshaus, bis man sie um Mitternacht vor die Tür setzte. So begaben sie sich zu ihrem Nachtlager, das tief im Wald am Abhang des Heubergs lag – unter dem Überhang eines mächtigen Felsblocks.




Doch an Schlaf wollten die beiden gar nicht denken: „Wär´ noch ein Dritter da, so könnten wir weiterspielen!“, meinte der eine – und noch bevor der andere antworten konnte, vernahmen sie ein Rumpeln unter ihren Füßen. Aus einer Felsspalte trat eine finstere Gestalt und brummte: „Ich spiele mit – los, mischt!“ Schon bald hatte ihnen der Fremde alles Hab und Gut abgenommen, und die beiden grübelten – von ihrer Spielsucht gepackt –, mit welchem Einsatz sie weiterspielen könnten. Da bäumte sich ihr Gegenüber auf und rief in die schwarze Nacht: „Spielen wir doch um Eure Seelen!“
Vor Schreck erstarrt fielen dem einen die Karten aus der Hand. Der andere bückte sich, um sie aufzuheben – und erblickte unter dem Mantel der Gestalt einen Pferdefuß! Erkennend, mit wem sie es zu tun hatten, entfuhr es dem Holzknecht: „Jesus und Maria – der Teufel!“ Da machte es einen lauten Knall, schwefliger Qualm stieg auf – und der Höllenfürst verschwand wieder in der Tiefe. Der mächtige, gespaltene Fels wird seither „Teufelsschlössl“ genannt, auf dass der verwunschene Ort forthin gemieden wird. Wer weiß: Womöglich haust der Leibhaftige immer noch dort unten und lauert armen Seelen auf …
Das Teufelsbründl zu Hochneukirchen
In einem zauberhaft verzauberten Waldstück im weiten Tal des Schwarzgrabens, zwischen Offenegg und Harmannsdorf bei Hochneukirchen liegt der Eckstein verborgen: Ein mächtiger Felsblock, groß wie ein Haus! Steht man staunend davor, stellt man sich unweigerlich die Frage, wie er wohl hierhergekommen sein mag. Und wie der tiefe Spalt entstanden ist, durch den man quer durch den Stein klettern (und dabei vielleicht manches Leiden „abstreifen“) kann. Gut möglich, dass der Fels ein alter Kultplatz aus Urzeiten ist, denn eine weitere Merkwürdigkeit gibt es auf seinem „Gipfel“ zu entdecken.




Das „Teufelsbründl“, eine große und tiefe Steinschale, in der immer – selbst im heißesten und trockensten Sommer – dunkles, kaltes, übelriechendes Wasser steht. Dass es diesen Namen trägt, kam so: Aus alten Zeiten wird berichtet, dass die Leute aus der Umgebung des Ecksteins in der Nacht öfter ein wildes, lautes Hämmern und Klimpern aus dem Wald hörten. Der Teufel selbst war es, der dort unter dem Felsüberhang Schuhnägel schmiedete. Nach getaner Arbeit stieg er zum Bründl hoch und wusch sich im Wasser die schmutzigen Hände und seinen rußigen Körper. Das Wasser versiegt seitdem nicht mehr – und stinkt bis heute wie die Hölle …
Eines Nachts kam ein Mann aus Offenegg unvorsichtig an des Teufels Arbeitsplatz vorbei – und prompt versuchte dieser ihm seine Schuhnägel zum Kauf anzubieten. Als der Mann bemerkte, mit wem er es zu tun hatte, lief er Hals über Kopf davon. Der Leibhaftige lief ihm hinterher – fuchsteufelswild darüber, dass ihm diese arme Seele entfliehen wollte. Und weil er ihn nicht zu fassen vermochte, nagelte er dem armen Kerl vor lauter Zorn immerhin den Hintern mit den verschmähten Nägeln voll … an diese höllischen Schmerzen mag man gar nicht denken!
Die Sage vom ersten Wurmbrand
Bei Ransdorf liegt eine steile Anhöhe, auf der einst die Burg Wurmbrand stand – die Gegend heißt daher auch heute noch „Purgstall“. Die Burg, von der heute kein Stein mehr übrig ist, soll vor über 800 Jahren von Leopold, dem ersten Grafen von Wurmbrand, erbaut worden sein. Wie dieser unverhofft zu seinem etwas verwunderlichen Namen und auch in den Adelsstand kam, erzählt eine alte Sage:




Die Gräfin von Stuppach wartete auf ihren Gatten, der sieben Jahre zuvor ins Heilige Land gezogen war. Viele edle Ritter bedrängten sie, ihre Hoffnung aufzugeben und einen würdigen Nachfolger zu heiraten, zumal das Land gerade von einem Drachen bedroht wurde. Und so beschloss sie endlich: „Ich heirate den, der den Lindwurm tötet!“ Ein Ritter nach dem anderen zog gegen das Untier ins Feld – keiner von ihnen sollte zurückkehren. Zu der Zeit war – nichts von all dem wissend – ein armer, aber fleißiger Bauer damit beschäftigt, seinen Acker einzuzäunen. Damit sein Zaun ja lange halten möge, sengte er gerade die Spitzen seiner Zaunpfähle am Feuer an, als er ein Fauchen, Schnauben und Stampfen hinter sich vernahm!
Rasch umgedreht erblickte er den schrecklichen Lindwurm, der mit seinem Höllenschlund auch schon nach ihm schnappen wollte. Mutig riss der Bauer den brennenden Pfahl hoch und rammte ihn dem Drachen tief in den Rachen. Der brüllte auf, Qualm entstieg seinen Ohren, und nach einigem Zucken und Röcheln blieb er tot liegen. Aus dem Dorf kamen die Leute herbeigelaufen, um ihren Retter zu feiern: „Hoch lebe unser Wurmbrand!“ Sie brachten ihn zur Gräfin, die ihr Versprechen hielt, ihn heiratete und so zum ersten Grafen Wurmbrand-Stuppach machte! Bis heute ist das stolze Adelshaus in der Buckligen Welt zu Hause, und auch den Lindwurm findet man noch: Als Wappentier an ihren Burgen und Grabsteinen.
Die eingemauerte Nonne zu Kirchberg am Wechsel
Es finden sich nicht allzu viele Details zur Sage von der eingemauerten Nonne von Kirchberg, nur so viel: Eine Klosterschwester soll entweder in der Wolfgangskirche oder direkt im Chorfrauenkloster lebendig eingemauert worden sein. Ihren Geist soll man manchmal nächtens stöhnen hören. Auch wenn es im Kloster immer wieder Ausbesserungsarbeiten am alten Gemäuer gab: Überreste einer Nonne wurden dabei nie gefunden … Forscht man weiter, so spricht ein alter Reisebericht aus dem Jahr 1823 eher für die Wolfgangskirche als „Tatort“.




Zu dieser Zeit war die Kirche nach ihrer Entweihung 50 Jahre zuvor eine Ruine. Nur die Sakristei war bewohnt, eine Bäuerin war dort eingemietet. Allerdings machte die rastlose Seele der eingemauerten Nonne der Bewohnerin das Leben schwer, indem sie durch die öden Hallen der Kirche wandelte und spukte. Der Grund für die schwere Strafe des Einmauerns bei lebendigem Leib bleibt aber unerwähnt. Bemerkenswert ist, dass man sich auch in Wien von einer eingemauerten Nonne erzählt – und auch hier spielt die Geschichte in einem Chorfrauenkloster:
Ein junges Mädchen, Anna, wurde von ihrem Vater ins Kloster verbannt, weil sie unsterblich in den Sohn einer verfeindeten Familie verliebt war – Romeo & Julia lassen grüßen! Doch noch im Kloster trafen sich die Liebenden heimlich, bis sie von einer Mitschwester Annas erwischt wurden. Die Äbtissin pochte auf die strengen Regeln des Klosters und statuierte ein Exempel: Die sündhafte Nonne wurde lebendig eingemauert, alles Jammern und Flehen half nichts – und wurde von Tag zu Tag leiser, bis es verstummt war. Wer weiß, vielleicht hat sich auch zu Kirchberg eine solch tragische Geschichte abgespielt? Und: Wer weiß, was (oder wer) bis heute hinter manch altem Gemäuer verborgen liegt?
Die Leithahexen zu Lanzenkirchen
Bei Lanzenkirchen fließen die Schwarza und die Pitten zusammen, um dort wild tosend zur Leitha zu werden. Wild sahen auch die Leithahexen, die man in früheren Zeiten dort finden konnte: Fast so klein wie Kinder, ganz dünn und mit hohlen Wangen, um die herum struppiges Haar bis zu ihren Knien hing! Zwischen den Fingern und Zehen hatten sie Schwimmhäuten, mit denen sie flink und geschickt in den Fluten der Leitha unterwegs waren. Am liebsten plantschten die Hexen friedlich im Wasser unter den Brücken herum und wollten den Menschen oben am Trockenen nichts Böses.




Und doch waren sie bekannt dafür, dass man sie nicht ärgern oder reizen sollte – denn sonst erging es einem schlecht. Nun kam eines Abends ein Mann seines Weges und hörte die Hexen unten im Wasser spielen. Da fiel ihm nichts Besseres ein als sich über das Geländer zu beugen und laut in die Tiefe zu rufen: „Huhuu! Huuuhuuuuu!“ Nichts passierte, und er ging laut lachend weiter. Doch weit sollte er nicht kommen: Auf einmal schossen unzählige knochendürre, aber unglaublich starke Hände aus dem Unterholz und packten den frechen Kerl!
Lautes Fauchen war zu hören und der Mann wurde – so schnell konnte er gar nicht schauen – durchs Gebüsch ins Wasser gezogen. Alles Strampeln und Treten, Wehklagen und Hilfeschreien half nichts: Er wurde gnadenlos in die Tiefe der eiskalten Fluten gezogen, bis ihm die Sinne schwanden … Erst spät in der stockdunklen Nacht kam er wieder zu sich, durchnässt und zerzaust am Ufer der Leitha liegend, meilenweit flussabwärts vom Dorf entfernt. Auch wenn ihm dies Erlebnis bestimmt eine Lehre war – die Leithahexen wurden seither nie mehr gesehen.
Der Galgen am Gerichtsberg zu Aspang
Es gibt in jedem Dorf einen Ort, von dem man sich schaurige Geschichten erzählt, den man lange mied oder wo man nur unter Kreuzzeichen flüchtig vorbeihuschte. Wandert man über die idyllisch sich über die Buckel windende Langegger-Straße von Aspang nach Mönichkirchen, würde man nicht vermuten, dass sich hier ein solcher Ort befand. Und doch erinnern heute noch drei Steinhaufen im Wald, nur wenige Meter neben dem Straßenrand, an den ursprünglichen Zweck dieses Platzes: Auf dieser bis heute Gerichtsberg genannten Anhöhe stand einst ein Galgen!




Vermutlich um 1529 dürfte er hier errichtet worden sein, auf alten Karten ist er noch eingezeichnet – ein weiterer stand in Krumbach. Jener in Aspang lag gut sichtbar über dem Ort und direkt an der alten Straße über den Wechsel. Jeder Reisende und jeder im Markt sollte sehen, dass die hiesige Herrschaft über die Blutgerichtsbarkeit verfügte. Im Schloss gab es Kerkerzellen und Folterinstrumente, für besonders schwere Vergehen wartete der Galgen: Drei massive, mit kleinen Dächern bekrönte Mauerpfeiler, auf denen Holzbalken lagen – hier wurde bei Bedarf der Strick zum Erhängen befestigt.
Man findet nur wenig über den Galgen heraus, einige Todesurteile dürften hier aber vollstreckt worden sein. So wird gemunkelt, dass der letzte Gehängte gar einst ein Gastwirt des Bräuhauses am Marienplatz war, der einen Gast ausgeraubt und ermordet haben soll. Dass der Gerichtsberg ein gefürchteter Ort war, an dem womöglich die bösen Geister oder die armen Seelen der Gehängten herumspukten, kann man sich nur allzu gut ausmalen. Und so erzählte man sich auch, dass manchen Wanderern, die hier vorbeimussten, schwarze Pferde mit feuersprühenden Augen begegnet sind. Wer schnell weiter, auf und davon wollte, dem liefen sie nach legten ihm gar den schweren Pferdekopf auf die Schultern!
Der Hanserlstein zu Hollenthon
Bei Hollenthon, auf dem Weg nach Spatzeck, liegt ein dunkler, seltsam zerklüfteter Felsblock im Wald verborgen. Eine alte Sage erzählt von den mysteriösen Ereignissen, die ihm den Namen „Hanserlstein“ gaben: Der Hanserl war vor langer Zeit ein Halterbub, der die Kühe des Hofbauern jeden Tag auf die Weide trieb. Nach getaner Arbeit verbrachte er den lieben langen Tag beim großen Stein im schattigen Wald, kletterte darauf herum und rief vom Gipfel was immer ihm einfiel in den Wald hinein.
Und dies war nicht immer nur Gutes und Harmloses, denn auch wenn der Hanserl ein braver und fleißiger Bub war: Für sein böses Schandmaul war er weit und breit bekannt! Weder seine Eltern noch der Hofbauer konnten ihm sein fürchterliches Schimpfen und Fluchen austreiben. Eines schönen Tages sollte dem Hanserl sein loses Mundwerk jedoch zum Verhängnis werden: Wieder einmal saß er auf dem großen Stein und packte sein Jausenbrot aus, als ihm dieses aus der Hand rutschte und in eine tiefe Spalte fiel! „Verflucht noch einmal, jetzt ist die schöne Jause weg! Ach, soll doch alles miteinander der Teufel holen!!!“ rief Hanserl zornig in den Wald hinein.




Kaum war das Echo verhallt, tat der Fels einen Spalt auf, zog den Hanserl in die Tiefe und schloss sich über ihm wieder. Als am Abend die Kühe alleine, ohne ihn heimkamen, ging ein Knecht den Hanserl suchen, zuerst bei seinem Lieblingsplatz. Tatsächlich hörte er den Hanserl dort schrecklich jammern, schreien und wimmern – allerdings kam seine Stimme aus dem Stein! Entsetzt lief der Knecht nach Hause und rief: „Den Hanserl hat der Teufel geholt, wegen seiner höllischen Flucherei!“ Drei Tage, drei Nächte lang hörte man Hanserl noch schreien, danach verstummte er für immer. Seinen Namen aber trägt der dunkle Stein bis heute.
Die gestörte Totenruhe zu Edlitz
Leben und Tod lagen in früher Zeit näher beieinander, als wir uns das heute vorstellen können. Mitten im Ort, rund um die kleinen Dorfkirchen, lagen die Friedhöfe – auf ihnen lagen die Toten begraben. Und gleich daneben war meistens ein Wirtshaus, in dem getrunken, gelacht, und das Leben gefeiert wurde. So war es auch in Edlitz, im Gasthaus Zum Schwarzen Adler, und eine junge, schwarzhaarige und kecke Kellnerin trug wesentlich dazu bei. Sie hatte ein freches Mundwerk, das brauchte sie wohl auch bei ihrer Arbeit. Mit den Edlitzer Männer und Burschen, die zu ihr ins Wirtshaus kamen, trieb sie manchen Schabernack – und diese mit ihr.




Eines Abends, es war kurz vor Mitternacht, kam eine lustige Runde auf eine – nunja: Schnapsidee. Sie wollten prüfen, ob denn hinter den großen Worten der Kellnerin auch großer Wagemut steckte und schlugen eine Wette vor: Sie solle doch auf den nahe gelegenen Friedhof gehen, eins der wackligen Grabkreuze bringen und dieses auf den Wirtshaustisch legen. Nichts schien ihr leichter als das, und so ging sie stolzen Schrittes in die finstere Nacht hinaus. Mit dem letzten Glockenschlag um Mitternacht war sie zurück und warf ein Kreuz auf den Tisch.
Die Männer waren zwar beeindruckt, forderten aber mehr: Brächte sie das Kreuz nun wieder zurück, würde sie per Orden und Dekret als tapferste Kellnerin im Ort gekürt. Ihr wurde zwar etwas bang, aber dennoch ging sie mit dem Kreuz unterm Arm wieder zum Friedhof. Nachdem sie seltsam lange fortblieb, hielt die Runde Nachschau. Als sie auf den Gottesacker kamen, erschraken sie zutiefst: Die Kellnerin lag tot auf einem frischen Grabhügel. Sie hatte beim Hineinstecken des Kreuzes ihre Schürze mit in die Erde gebohrt. Im panischen Irrglauben, der (Un)Tote im Grab hielt sie fest um sie nach unten zu ziehen, hat sie wohl der Schlag getroffen …
Übrigens: Laufend „neue alte“ Sagen in Wort und Bild gibt es auf der Facebook- und Instagram-Seite von „Bucklige Weltreisen“!
Michael Trimmel & Markus Steinbichler
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